Dichter und Schriftsteller

Einer der großen österreichischen Dichter, Adalbert Stifter, machte des öfteren, erstmals schon in jungen Jahren, mit der Landstraße Bekanntschaft. Im Jahr 1826 war der damals knapp über Zwanzigjährige als Student mit Freunden nach Wien gekommen. Zu Fuß erreichte er damals die Vorstadt und quartierte sich im "Roten Hahn" auf der Landstraße ein. Außerdem finden wir ihn in diesem Jahr auch noch als Bewohner des Hauses Beatrixgasse 19, das die Hausbenennung "Fürstenhof" führte. Hier wohnte er noch ein zweitesmal, im Jahr 1829. Nicht sehr weit von diesem Quartier entfernt erinnert eine Gedenktafel an einen weiteren Aufenthalt des Dichters. Am Haus Beatrixgasse 18 wurde 1936 folgende Gedenktafel angebracht: "Adalbert Stifter wohnte in diesem Hause in den Jahren 1837-1839 und schuf hier die Erzählung ,Feldblumen`. Adalbert-Stifter-Gesellschaft, Wien, Mai 1936." Aus später ausgewerteten Dokumenten ergab sich jedoch, daß die Angabe auf dem Gedenkstein nicht zutrifft und Stifter nur bis 1838 in diesem Hause wohnte.

Eine der hervorragendsten Vertreterinnen der realistischen österreichischen Heimaterzählung war wohl die 1830 in Zdislawitz geborene Marie von Ebner-Eschenbach. Seit 1863 hatte Marie von EbnerEschenbach ihren ständigen Aufenthalt in Wien, wo sie zunächst im dritten Bezirk in der Landstraßer Hauptstraße 74 lebte und hier manche ihrer sozial engagierten Werke verfaßte. Hier in ihrem Landstraßer Heim besuchte sie öfters auch der Dichter Ferdinand von Saar, der in einem Essay "Begegnung mit Marie von Ebner-Eschenbach" unter anderem schreibt: "Es war ein vornehmes, behagliches Heim, ohne Pracht, aber mit erlesenem, intimem Geschmack ausgestattet." Das Wirken der Dichterin, das in dieser Landstraßer Wohnung seinen Anfang nahm, fand bald Anerkennung und Würdigung, so unter anderem durch die Verleihung des Ehrendoktorates an der Wiener Universität.

Ab 1881 war im Haus Radetzkystraße 6 die Familie des Dichters Anton Wildgans wohnhaft. Ab diesem Zeitpunkt lebte hier der Vater des Dichters, Hofrat Dr. Friedrich Wildgans. Am 17. April 1881 kam der Sohn Anton zur Welt und verbrachte hier seine ersten fünf Lebensjahre. Wildgans, der früh die Mutter verlor, studierte später am Piaristengymnasium und an der Wiener Universität Jus. Er war später als Hauslehrer, Journalist, Privatsekretär und Mitarbeiter der "Muskete" tätig. In den Jahren 1921-1922 und 1930-1931 war er Leiter des Wiener Burgtheaters. Seine frühe Kindheit auf der Landstraße schildert der Dichter in "Musik der Kindheit". Aber noch einmal kehrte er in seinen Geburtsbezirk zurück. Nach seiner Heirat im Jahre 1909 zog er in die Wohnung seiner Frau in der Neulinggasse 9. Hier lebte er bis 1915. "Ich werde zumindest den ,Moses`, mit dessen Problematik ich mich schon seit sieben Jahren beschäftige und von dem ich schon in der Neulinggasse einige entscheidende Szenen geschrieben habe vollenden", schreibt er später einmal und liefert uns damit den Hinweis auf zumindest ein in diesem Hause konzipiertes Werk. Wildgans war nicht nur einer der bedeutendsten Dramatiker des beginnenden 20. Jh.s, sondern zählte auch mit Rilke und Trakl zu den besten Lyrikern seiner Zeit.
Ein weiterer berühmter österreichischer Dichter lebte auf dem Rudolf-von-Alt-Platz 5: Josef Weinheber, der dieses Haus auf der Landstraße im Jahr 1930 bewohnte.
Vor über hundert Jahren (am 6. November 1880) wurde in Klagenfurt der bedeutende Romandichter und Denker Robert Musil geboren. Ein eher unbekanntes Werk, der Entwurf zu einer Novelle mit dem Titel "Der Vorstadtgasthof" liefert uns die Verbindung dieses großen Dichters mit dem Bezirk Landstraße. Zu dieser Novelle gab nämlich das 1934 demolierte, seinerzeit weit über die Grenzen des Bezirks bekannte Gast- und Tanzlokal "Goldene Birne" eine Inspiration, denn Musil wohnte nach dem Ersten Weltkrieg zunächst in der Ungargasse 17, dann lange Jahre auch in der Rasumofskygasse 20, in dem so malerischen, zum Teil auf den Unterkellerungen des einstigen Nikolaiklosters stehenden, kulissenartigen Häuserkomplex (gegenüber dem ehemaligen Palais Rasumofsky). Musils Wohnung befand sich im zweiten Stock, sein Arbeitszimmer lag mit hübscher Aussicht an der Ecke zur Salmgasse. Er wohnte hier, wie die neben der Haustür angebrachte Gedenktafel angibt, bis zum Jahr 1938. Musil starb bereits vier Jahre später als Emigrant.
Zu einem bedeutenden Einwohner des Bezirks Landstraße zählt man auch den Dramatiker, Lyriker und Essayisten Franz Theodor Csokor. Csokor, nebenbei auch erster Vizepräsident der Grillparzergesellschaft und Präsident des PEN-Clubs, starb im 83. Lebensjahr am 5. Jänner 1969. Er wohnte von 1951 an, nachdem er, ein glühender Verfechter der Menschenrechte und der Gewissensfreiheit, im Dritten Reich von den Bühnen verdammt worden war, in der Neulinggasse 11. Als sein bekanntestes Drama gilt "Dritter November 1918", das den Zusammenbruch der österreichischen Front zum Gegenstand hat. Franz Theodor Csokor besuchte übrigens ebenso wie der Dichter Max Mell das Gymnasium in der Kundmanngasse 22. Ein anderer Absolvent dieser Schule wohnte später auch einige Zeit im dritten Bezirk und wurde ebenfalls zu einem bedeutenden österreichischen Dichter und Schriftsteller: Heimito von Doderer. Er lebte Ende der zwanziger Jahre in der Stammgasse 12. Zu seinen bekanntesten Werken zählen unter anderen "Die Strudelhofstiege", "Das Geheimnis des Reiches" und die "Dämonen". Nicht unerwähnt soll bleiben, daß die Redaktion der satirischen Zeitschrift "Die Fackel" um die Jahrhundertwende im Haus Hetzgasse 4 untergebracht war, wo Karl Kraus als Herausgeber dieser Zeitschrift im Kampf gegen die Korruptionserscheinungen seiner Zeit und für die Reinheit der deutschen Sprache seinen ersten Ruhm erlangte.